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Rechtliche Grundlagen

Rechtlich verankerte (Kooperations-)Pflichten:

Gelingende Kooperationen

  • In der Zusammenarbeit mit der Schule

    Ziel und Zweck der Zusammenarbeit

    Mitarbeitende an Schulen sehen Kinder und Jugendliche regelmäßig und über Jahre hinweg. Für viele Kinder und Jugendliche sind sie Bezugspersonen, denen sie vertrauen. Sie können mögliche Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung frühzeitig wahrnehmen. Durch eine funktionierende Kooperation mit den Mitarbeitenden des Jugendamtes kann der Schutz der Kinder und Jugendlichen gestärkt werden. Mitarbeitende an Schulen können sich dort Rat bei der Einschätzung holen, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und ein Eingreifen notwendig wird. 

    Rechtlicher Hintergrund

    BKiSchG
    § 3 Abs. 2 KKG 
    § 4 KKG 
    § 42 SchulG NRW

    Handlung oder Tätigkeit

    Mitarbeitende an Schulen sollen eine Kindeswohlgefährdung an die Jugendämter melden. Sie sind befugt, Informationen weiterzugeben. Bei der Einschätzung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, haben sie einen Anspruch auf eine Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft (InsoFa).

    Häufige Missverständnisse

    Mangelnde Information und Berührungsängste mit dem Jugendamt können für die Mitarbeitenden in den Schulen Kontakthürden darstellen. Auf der anderen Seite kann Vertrauen schwinden, wenn die Meldenden keine Rückmeldung bekommen, wie das Jugendamt mit der gemeldeten Situation umgeht, also ob es Maßnahmen zum Schutz des Kindes oder der/des Jugendlichen ergriffen hat.

  • In der Zusammenarbeit mit dem Gesundheitswesen

    Ziel und Zweck der Zusammenarbeit

    Durch die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht und den Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft soll die Handlungssicherheit der Akteure erhöht und der Kinderschutz gestärkt werden.

    Rechtlicher Hintergrund

    § 4 KKG
    § 3 KKG
    § 8b SGB VIII 

    Handlung oder Tätigkeit

    Ärztinnen und Ärzte sehen häufig als erste Personen außerhalb der Familie körperliche Spuren einer Misshandlung. Insbesondere in den ersten drei Lebensjahren haben Kinder im Rahmen der Kindervorsorgeuntersuchungen, der sogenannten U-Untersuchungen, regelmäßigen Kontakt zu Arztinnen und Ärzten. Oftmals entsteht zwischen behandelnden Kinderärztinnen und -ärzten und den Kindern, Jugendlichen und Eltern über die Zeit ein Vertrauensverhältnis. Sie erhalten Einblicke in das Leben eines Kindes, die über die bloße Feststellung seiner körperlichen Unversehrtheit hinausgehen.

    Ärztinnen und Ärzte, aber auch Zahnärztinnen und Zahnärzte, Hebammen und Entbindungspfleger oder Angehörige eines anderen Heilberufes, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, haben beim Verdacht einer vorliegenden Kindeswohlgefährdung gegenüber dem Jugendamt Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft. Diese InsoFa hilft bei der Einschätzung möglicher Gefahren.

    Außerdem dürfen sie trotz ihrer Stellung als Geheimnisträger Informationen an das Jugendamt weitergeben, wenn gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen.

  • In der Zusammenarbeit mit der Polizei

    Ziel und Zweck der Zusammenarbeit

    Neben der Strafverfolgung gehören auch die Gefahrenabwehr und die Präventionsarbeit zu den Aufgaben der Polizei. Hier ist sie ein wertvoller Kooperationspartner.

    Durch ihre Präventionsarbeit kann sie gemeinsam mit dem Jugendamt viele Kinder, Jugendliche sowie Fachkräfte verschiedener Professionen erreichen und sensibilisieren.

    Wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und gegen den Willen der Erziehungsberechtigten eine Inobhutnahme durchgeführt werden muss, kann die Polizei die Fachkräfte des Jugendamtes unterstützen. Nur sie verfügt über bestimmte Eingriffsrechte. Nur sie darf unmittelbaren Zwang anwenden, also das Kind gegen seinen Willen beziehungsweise gegen den Willen der Erziehungsberechtigten aus der Familie nehmen.

    Rechtlicher Hintergrund

    § 42 Abs. 6 SGB VIII
    OBG NRW
    PolG NRW

    Handlung oder Tätigkeit

    Das Jugendamt ist nicht verpflichtet, eine Strafanzeige zu erstatten. Maßgebliches Kriterium bei dieser Entscheidung ist das Kindeswohl. Ob eine Anzeige erstattet wird oder nicht, ist immer eine Einzelfallentscheidung. Eine Zeugenaussage oder körperliche Untersuchungen können eine Belastung für die Betroffene oder den Betroffenen darstellen, genauso wie die oft lange Dauer des Verfahrens oder dessen ungewisser Ausgang. Für das Kind kann es aber auch eine Entlastung bedeuten, wenn es sich einer offiziellen Stelle anvertraut, sofern es das Gefühl bekommt, ernst genommen zu werden und dass Unrecht verfolgt wird. 

    In die Abwägung für oder gegen eine Strafanzeige kann auch das Wissen oder der Verdacht weiterer Betroffener einfließen. Sofern Beweismittel wie Fotos oder Videos gesichert werden müssen, sind Strafverfolgungsbehörden zwingend einzuschalten. 

  • In der Zusammenarbeit mit dem Familiengericht

    Ziel und Zweck der Zusammenarbeit

    Das Familiengericht wird vom Jugendamt angerufen, wenn es dies für notwendig hält. Das Familiengericht hat dann Maßnahmen zum Schutz der Kinder vor Gefahr für ihr körperliches, geistiges oder seelisches Wohl zu treffen.

    Nicht selten kennt das Jugendamt die betroffenen Kinder über einen längeren Zeitraum oder durch häufigen Kontakt, sodass dessen Mitarbeit im familiengerichtlichen Verfahren unentbehrlich ist.

    Handlung oder Tätigkeit

    Das Jugendamt muss das Familiengericht anrufen, wenn es sein Tätigwerden zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung für notwendig hält (§ 8a SGB VIII).

    Das Familiengericht hat das Jugendamt in familiengerichtlichen Verfahren anzuhören.

  • In der Zusammenarbeit mit dem Strafgericht

    Ziel und Zweck der Zusammenarbeit

    Die Jugendgerichtshilfe, die beim Jugendamt angesiedelt ist, nimmt an Strafverfahren gegen Jugendliche nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) teil.

    Das Jugendamt ist in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft einzubeziehen, wenn es erforderlich ist.

    Das Jugendamt ist zu benachrichtigen, wenn Tatsachen bekannt werden, deren Kenntnis zur Abwendung einer erheblichen Gefährdung von Minderjährigen erforderlich ist.

    Rechtlicher Hintergrund

    § 52 SGB VIII
    § 38 JGG
    Nr. 19, 221, 235 RiStBV
    Nr. 32, 35 MiStra

  • In der Zusammenarbeit mit der Kindertagesbetreuung

    Ziel und Zweck der Zusammenarbeit

    Mitarbeitende der Kindertageseinrichtungen sehen Kinder regelmäßig und über Jahre hinweg. Für viele Kinder sind sie Bezugspersonen, denen sie vertrauen. Sie können mögliche Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung frühzeitig wahrnehmen. Durch eine funktionierende Kooperation mit den Mitarbeitenden des Jugendamtes kann der Schutz der Kinder gestärkt werden. Die Mitarbeitenden der Kindertageseinrichtungen können sich dort Rat bei der Einschätzung holen, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und ein Eingreifen notwendig wird. Das Jugendamt kann den Mitarbeitenden in der Kindertagesbetreuung Hilfeoptionen aufzeigen. Ziel jeder Kooperation ist die Sicherung des Kindeswohls und Schutz vor Gewalt bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung.

    Handlung oder Tätigkeit

    Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen nehmen bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung eine Gefährdungseinschätzung vor. Bei der Einschätzung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt ist eine Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft (InsoFa) verpflichtend. Bei der Gefährdungseinschätzung sollen die Erziehungsberechtigten sowie das Kind einbezogen werden, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes nicht in Frage gestellt wird. Die Fachkräfte der Träger haben bei den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinzuwirken, wenn sie diese für erforderlich halten. Sofern mit diesen Maßnahmen eine Kindeswohlgefährdung nicht abgewendet werden kann, besteht die Verpflichtung, das Jugendamt zu informieren.

    Häufige Missverständnisse

    Eine hohe Fluktuation von Mitarbeitenden aller beteiligten Professionen ist eine Herausforderung für eine effektive und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Häufige Personalwechsel binden nicht zuletzt dadurch wertvolle Ressourcen, dass die neuen Fachkräfte sich mit der Lebenssituation der Kinder und deren Umfeld erst vertraut machen müssen. Auch Kinder und Eltern benötigen Zeit, sich an neue Personen zu gewöhnen.

  • In der Zusammenarbeit mit­ Familienberatungs­stellen

    Ziel und Zweck der Zusammenarbeit

    Die spezialisierten Fachberatungsstellen verfügen über eine große Expertise im Bereich der Prävention und der Beratung bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Die Mitarbeitenden der Jugendämter haben eine Vielzahl an Fallkonstellationen zu bearbeiten, sodass der Bereich der sexualisierten Gewalt eventuell nur einen kleinen Teil ihrer Arbeit ausmacht. Um Betroffenen und ihrem Umfeld das bestmögliche Vorgehen anbieten zu können, können sich die Jugendamtsmitarbeitenden Beratung und Unterstützung bei einer spezialisierten Fachberatungsstelle holen.

    Rechtlicher Hintergrund

    § 8a SGB VIII
    § 4 KKG

    Handlung oder Tätigkeit

    Bei der Verdachtsabklärung auf sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche können die Mitarbeitenden des Jugendamtes sich von einer spezialisierten Fachberatungsstelle Unterstützung bei der Gefährdungseinschätzung und der weiteren Planung von Maßnahmen holen.

    Andererseits gehören die Mitarbeitenden der spezialisierten Fachberatungsstellen zu dem Personenkreis, der Anspruch auf eine Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft hat. Durch diese gegenseitige Ergänzung und die Zusammenarbeit können bessere Ergebnisse bei der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern erzielt werden.

Publikationen in diesem Handlungsfeld

  • Gelingensfaktoren bei der Wahrnehmung des Schutzauftrags gemäß § 8a SGB VIII

    LVR-Landesjugendamt Rheinland / LWL-Landesjugendamt Westfalen: Gelingensfaktoren bei der Wahrnehmung des Schutzauftrags gemäß § 8a SGB VIII. Empfehlungen für Jugendämter. Köln/Münster 2020