Kinder- und Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit
Die Kinder- und Jugendarbeit in Deutschland umfasst eine Vielzahl verschiedener Angebote für Kinder und Jugendliche, die sich durch gemeinsame Arbeitsprinzipien und Wirkungsziele auszeichnen. So sind Angebote der Jugendarbeit offen für alle jungen Menschen und werden von diesen freiwillig besucht. Dabei orientieren sich die Angebote an den individuellen Interessen und Lebenswelten junger Menschen und werden ebenso von diesen partizipativ mitgestaltet. Die Kinder- und Jugendarbeit zielt somit darauf, Kinder und Jugendliche in ihrer Subjekt- und Demokratiebildung zu unterstützen. Sie sollen also zur Selbstbestimmung und zur demokratischen Mitentscheidung und Gestaltung befähigt werden – sowohl in den Angeboten der Jugendarbeit selbst, als auch darüber hinaus in der Gestaltung der Gesellschaft, so zum Beispiel in der kommunalen Politik oder durch ehrenamtliches Engagement.
Die Kinder- und Jugendarbeit verfolgt dabei eine stark inklusive und beteiligende Ausrichtung, damit alle Kinder und Jugendliche differenzierte und an ihren Lebenslagen anknüpfende Angebote erhalten können. Dies soll unabhängig von ihren ethnischen, kulturellen, materiellen, religiösen oder bildungsbezogenen Hintergründen geschehen, sowie geschlechtsspezifischer Verortung oder sexuellen Orientierung oder auch seelischer, geistiger oder körperlicher Behinderung.
Die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit können in Form von Selbstorganisationen, also Jugendverbänden, -gruppen oder -initiativen erfolgen, aber auch von anderen freien Trägern oder Trägern der öffentlichen Jugendhilfe angeboten werden.
Zu den diversen Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit gehören die Offene Kinder- und Jugendarbeit, sowie die Jugendverbandsarbeit. In NRW ist die Offene Kinder- und Jugendarbeit in der AGOT NRW, die Jugendverbände vor Ort im Landesjugendring NRW organisiert. Weitere Schwerpunkte sind:
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Außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher oder technischer Bildung,
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Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit,
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arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit,
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Internationale Jugendarbeit,
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Kinder- und Jugenderholung,
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Jugendberatung.
Die gesetzlichen Grundlagen für die Aufgaben und das Selbstverständnis der Kinder- und Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit finden sich im § 11 bzw. spezifisch für die Jugendverbandsarbeit im §12 Sozialgesetzbuch VIII
Berufsgruppen in der Kinder- und Jugendarbeit
In der Kinder- und Jugendarbeit gibt es eine hohe Anzahl ehrenamtlich aber auch hauptamtlich tätiger Personen. Dementsprechend unterscheiden sich auch die Qualifikationsanforderungen.
Die Qualifikationsanforderungen an Mitarbeitende der Jugendhilfe regelt bundesgesetzlich § 72 SGB VIII, womit die Jugendarbeit inkludiert ist. Dort werden zwei grundsätzliche Kriterien benannt:
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Die persönliche Eignung.
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Die fachliche Ausbildung.
Das Kriterium der persönlichen Eignung wird nicht näher definiert, zielt aber auf Eigenschaften ab, die in sozialen Berufen notwendig sind, dazu gehören bspw. Einfühlungsvermögen, Belastbarkeit oder auch Verantwortungsbewusstsein.
Das Kriterium der fachlichen Ausbildung zielt darauf, dass Personen über die in den jeweiligen Aufgabenbereichen notwendigen Vorkenntnisse verfügen. Dazu gehören zum Beispiel entwicklungspsychologische Kenntnisse, die in erziehungswissenschaftlichen Studiengängen erworben werden, um ein grundlegendes Verständnis für die Lebensphasen Kindheit und Jugend zu erlangen. Beschäftigte in diesem Feld verfügen deshalb in der Regel über Fachabschlüsse in den Bereichen Soziale Arbeit, Sozialpädagogik, sowie (Kindheits-)Pädagogik / Erziehungswissenschaften. Zudem sind noch staatlich-anerkannte und an Fachschulen ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher eine gängige Berufsgruppe im Feld der Kinder- und Jugendarbeit. Auch junge Menschen, die sich in den Jugendfreiwilligendiensten FSJ und FÖJ engagieren oder einen Bundesfreiwilligendienst leisten, übernehmen Aufgaben in der Kinder- und Jugendarbeit.
In § 1 Abs. 3 SGB VIII werden die Aufgaben der Jugendhilfe spezifiziert u.a. mit Blick auf die Ermöglichung von Selbstbestimmung und Teilhabe, den Schutz von Kindern und Jugendlichen oder auch die Erhaltung positiver Lebensbedingungen junger Menschen und ihrer Familien durch eine kinder- und familienfreundliche Umwelt.
Aufgaben im Kinderschutz
Fachkräfte und Institutionen der Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit leisten einen unverzichtbaren Beitrag zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor jeglichen Formen von Gewalt. Der Schutzauftrag aus § 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII hält die gesamte Jugendhilfe dazu an, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen. Die Handlungsbefugnisse und Pflichten der Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit unterscheiden sich im Vergleich zum Jugendamt maßgeblich. Die Akteure aus diesem Feld setzen sich insbesondere dafür ein, dass der Kinderschutz aus der Perspektive und unter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gedacht und umgesetzt wird.
Verfahrensabläufe im Kinderschutz
Für den Kinderschutz maßgeblich sind das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) mit dem Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (§ 4 KKG) sowie die UN-Kinderrechtskonvention, die in Deutschland den Rang eines Bundesgesetzes innehat.
Im Bundeskinderschutzgesetz wird der Verfahrensablauf im Falle eines Verdachts auf Kindeswohlgefährdung definiert. Fachkräfte der Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit sind dem § 8a SGB VIII Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung ebenfalls verpflichtet. Fachkräfte sind solche Personen, die für die aufgabenerfüllende Tätigkeit eine entsprechende Ausbildung erhalten haben. Dabei ist es unerheblich, ob die Fachkräfte in Festanstellung, auf Honorarbasis oder ehrenamtlich tätig sind.
Die freien Träger von Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe sollen mit dem jeweils örtlich zuständigen Jugendamt konkrete Handlungsschritte im Falle eines Verdachts auf Kindeswohlgefährdung definieren und verpflichtend vereinbaren. Auf diesem Weg entsteht eine vertragliche Verpflichtung der freien Träger, da das Gesetz direkt nur die öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe adressieren kann. § 8a Abs. 4 SGB VIII gewährleistet die gleichwertige Erfüllung des Schutzauftrags durch die in der Jugendarbeit tätigen Fachkräfte.
Handlungsschritte der Fachkräfte in der Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit im Verdachtsfall sind:
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Sie nehmen gewichtige Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung wahr.
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Sie ziehen zur Bewertung der Kindeswohlgefährdung die Beratung einer insoweit erfahrenen Fachkraft heran.
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Das betroffene Kind bzw. die/der betroffene Jugendliche sowie die Erziehungsberechtigten werden bei der Gefährdungseinschätzung einbezogen.
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Die Fachkräfte wirken auf die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten durch Erziehungsberechtigte hin.
- Die Fachkräfte informieren das Jugendamt, sofern die Gefährdung des Kindes nicht abzuwenden ist. Nur so kann das Jugendamt den Schutzauftrag ggf. durch die Inobhutnahme des Kindes nach § 42 SGB VIII ausführen.
Mit der Verabschiedung des Landeskinderschutzgesetzes in Nordrhein-Westfalen am 1. Mai 2022 wurden fachliche Mindeststandards für die Gefährdungseinschätzung nach § 8a SGB VIII definiert.
Schutzkonzepte in Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit
Mit den Kinderschutzkonzepten nach § 45 SGB VIII und § 11 Landeskinderschutzgesetz NRW sollen die Rechte von Kindern und Jugendlichen und ihr Schutz vor jeglichen Formen von Gewalt gesichert werden.
Die Schutzkonzepte umfassen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
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vor körperlicher, psychischer und sexualisierter Gewalt,
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vor Machtmissbrauch in der Einrichtung oder dem Angebot,
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bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung.
Die Konzepte sind angepasst an die Einrichtung oder das Angebot zu entwickeln. Kinder und Jugendliche sind an der Entwicklung des Kinderschutzkonzeptes entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife zu beteiligen.
Das Landeskinderschutzgesetz NRW verpflichtet landesgeförderte Träger der Jugendarbeit durch § 11 Abs. 3 darauf hinzuwirken, dass Schutzkonzepte gegen jegliche Formen von Gewalt an Kindern und Jugendlichen entwickelt, implementiert und überprüft werden. Die Leitlinien zu Kinderschutzkonzepten sollen in Einrichtungen und Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit umgesetzt werden. Dabei soll die Umsetzung durch die Träger fachlich beraten und durch Qualifizierungsangebote unterstützt werden.
Für Jugendfreizeiten im Kontext der Internationalen Kinder- und Jugendarbeit ist zu beachten, dass die Standards des SGB VIII, des Landeskinderschutzgesetzes NRW sowie im Jugendschutzgesetz Geltung besitzen und somit der in NRW und Deutschland geltende gesetzliche Rahmen für den Kinderschutz auch im Ausland greift.
Anforderungen an die dort tätigen Personen
In der Kinder- und Jugendarbeit gibt es eine hohe Anzahl ehrenamtlich, aber auch hauptamtlich tätiger Personen (Berufsgruppen in der Kinder- und Jugendarbeit).
Durch § 72a SGB VIII (Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen) sind die öffentlichen Träger der Jugendarbeit verpflichtet, für ihr Personal zu prüfen, dass keine Gründe für einen Tätigkeitsausschluss (zum Beispiel im Falle von Vorstrafen) vorliegen. Dies erfolgt in regelmäßigen Abständen durch die Vorlage eines Führungszeugnisses. Auch sind sie aufgefordert, in Form von Vereinbarungen mit freien Trägern, die Verpflichtung zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses für haupt- und ehrenamtlich Beschäftigte für bestimmte Tätigkeiten weiterzugeben. Diese bestimmten Tätigkeiten sollen nach Art, Dauer und Intensität des Kontaktes bewertet werden.
Ehrenamtlich, aber auch hauptberuflich Tätige können sich zudem über den Jugendgruppenleiterausweis „JULEICA“ zertifizieren lassen. Dazu gibt es bundeseinheitliche Vorgaben. Darüber hinaus kann jedes Bundesland eigene Anforderungen für die Zertifizierung vorgeben. In Nordrhein-Westfalen ist dies über den Runderlass des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen vom 12.06.2019 geschehen. Dort ist definiert, dass zum Erwerb der JULEICA-Zertifizierung Kenntnisse im Bereich der „psychologische[n] und pädagogische[n] Grundlagen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Gefährdungstatbestände des Jugendalters und Fragen des Kinder- und Jugendschutzes wie zum Beispiel Prävention sexualisierter Gewalt“ vorzuweisen sind.
Kooperationen mit anderen Handlungsfeldern und Institutionen im Kinderschutz
Einrichtungen der Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit kooperieren mit dem Jugendamt, um u. a. den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII umzusetzen. Dabei arbeiten insofern erfahrene Fachkräfte des Jugendamts (InsoFa) mit pädagogischen Fachkräften sowie Ehrenamtlichen gemeinsam an einer Gefährdungseinschätzung.
In der Zusammenarbeit kann es zu Unsicherheiten der Jugendarbeitsmitarbeitenden in Bezug auf die Weitergabe personenbezogener Daten kommen. § 4 KKG erlaubt die Weitergabe dieser Daten in akuten Gefährdungslagen. Zudem kann es passieren, dass die Jugendarbeitsmitarbeitenden keine Kenntnis über ihren Anspruch auf Beratung durch eine InsoFa haben.
Mit der Polizei kooperiert die Kinder- und Jugendarbeit bzw. die Jugendverbandsarbeit vor allem im Bereich von Präventionsmaßnahmen. So werden von Polizeikräften bspw. Informationsveranstaltungen zum Thema „Cybergrooming“ oder „Strategien von Täterinnen und Tätern“ abgehalten.
Einrichtungen der Jugendarbeit sind außerdem an interdisziplinären Netzwerken im Kinderschutz beteiligt, die in Jugendamtsbezirken auf Grundlage des § 9 Landeskinderschutzgesetz NRW gebildet werden. Ziel ist der fachliche Austausch von unterschiedlichen Professionen im Kinderschutz innerhalb und außerhalb des Netzwerkes. Innerhalb der Netzwerke sollen regelmäßige und interdisziplinäre Qualifizierungsangebote für die am Kinderschutz beteiligten Professionen angeboten werden. In die Netzwerke werden insbesondere folgende Akteure einbezogen:
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Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD) und weiteres Personal des Jugendamtes
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Pädagogische Fachkräfte der Jugendarbeit sowie Ehrenamtliche, weitere Beschäftigte aus anderen Bereichen der Jugendhilfe
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Insoweit erfahrene Fachkräfte
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Lehrkräfte sowie weiteres Schulpersonal
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Personal von Gesundheitsämtern
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Personal von der Polizei und den Ordnungsbehörden
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Beschäftigte in Familiengerichten, bspw. Richterinnen und Richter
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Verfahrensbeistände
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Personal von Staatsanwaltschaften
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Fachkräfte aus den Netzwerken Frühe Hilfen
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Träger der Eingliederungshilfen für Minderjährige nach SGB IX
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Weitere Einrichtungen und Berufsgruppen nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten